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Oliver Reiser

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Biodiesel und Dioxin - Eine Problematik Nachwachsender Rohstoffe?

Oliver Reiser

Teil2: Der Skandal um mit Dioxinen belastetes Tierfutter zeigt ein tieferes Problem auf: Eine mögliche Quelle könnte der als grüne Treibstoffalternative gepriesene Biodiesel sein. Entstehen Dioxine bei der Produktion von Biodiesel? © Chemie-im-Alltag 2010.

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Giftigkeit von Dioxonen - Toxizitätsäquivalente ITE

Da die Giftigkeit der verschiedenen Dioxine stark variiert, hat man eine sogenannte internationaler Toxizitätsäquivalenzeinheit ITE eingeführt. Man normiert alle Konzentrationsangaben auf das TCDD, das der giftigste Vertreter in der Gruppe der Dioxine ist. Nehmen wir zum Beispiel an, man hat eine Mischung von einem Milligramm (1/1000 Gramm, abgekürzt als mg) aus TCDD und von einem Milligramm eines zweites Dioxins, das fünfmal weniger giftig als TCDD ist. Der ITE Wert wäre demnach 1.2 mg Dioxin (1 mg TCCD + 1mg mal 1/5 des zweiten Dioxins).

Bei der Einschätzung der Giftigkeit (Toxizität) von Dioxinen muss man zwischen der akuten Wirkung und der Langzeitwirkung unterscheiden. Die akute tödliche Dosis von TCDD beim Menschen ist nicht bekannt, aus Tierexperimenten weiß man, dass dessen akute Toxizität sehr stark von der Species abhängt. Extrapoliert man die für Rhesusaffen gemessenen Werte, würde man für einen 70 kg schweren Menschen eine tödliche Wirkung von etwa 5 Milligramm abschätzen. Eine akute Vergiftung durch Dioxine ist daher sehr unwahrscheinlich: Nach gegenwärtigen Schätzungen nimmt ein Erwachsener etwa 0.7 pg (Pikogramm) ITE DioxineKieler_Foerde_Zucker pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag, zu etwa 95% durch die Nahrung auf (in erster Linie durch Milchprodukte und Fleisch). Die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegte tolerierbare Grenze liegt bei 1-4 pg pro kg Körpergewicht, ein toxikologisch bedenklicher Wert liegt etwa um den Faktor 1000 höher.  1 pg sind 0.000000000001 g (zum Vergleich: 1 mg = 0.001 g), eine unvorstellbar kleine Menge.  1 pg / kg Körpergewicht entspricht der Konzentration von einem Zuckerwürfel aufgelöst in der Kieler Förde. Die jetzt in Eiern gefundenen Dioxonmengen sind deutlich erhöht, überschreiten aber die festgelegten tolerierbaren Grenzen zumindest für Erwachsene bei mäßigem Verzehr nicht (nach derzeitigen Angaben wird mit der Verzehr von einem belasteten Ei etwa 50% der als unbedenklich eingeschätzten Aufnahme an Dioxinen erreicht).

Das eigentliche Problem besteht in der Langzeitwirkung der Dioxine: Dioxine sind sehr stabil und gleichzeitig gut fett- und nur mäßig wasserlöslich. Daher werden Dioxine nicht vollständig auf natürlichem Wege über den Urin ausgeschieden, sondern werden in das Fettgewebe von Lebewesen eingelagert. Unser Körper versucht aber dennoch, die fremden Stoffe durch Umwandlung in wasserlöslichere Verbindungen wieder loszuwerden. Dies geschieht durch Oxidationen, wobei im Falle der Dioxine außerordentlich reaktive Radikale entstehen, die Krebs auslösen könnten. Auch ist aus Tierversuchen bekannt, dass geringe Mengen von Dioxinen das Immunsystem und die Reproduktion stören können.

Biodiesel und Dioxine?

Biodiesel Herstellung durch Umesterung von RapsölEine Quelle für die gefundenen Dioxine könnten Rückstände von Pestiziden sein, etwa die auf der vorigen_Seite beschrieben Chlorphenole. Diese sind zwar seit 1989 in Deutschland verboten, aber in anderen Ländern, etwa in Südamerika, werden diese noch eingesetzt. Wenn also die jetzt untersuchten Industrieffette auch aus Rohstoffquellen solcher Länder stammen würden, könnte dies die Dioxinfunde erklären.

Doch erlauben Sie mir auf einen anderen Umstand hinzuweisen und mit einer Spekulation zur Diskussion zu stellen: Biodiesel wird zu einem großen Teil aus Rapsölen hergestellt, die zu Fettsäuremethylestern (Biodiesel) und Glycerin durch Erhitzen mit Methanol gespalten werden (Bild oben, zum Vergrößern anklicken). Rapspflanzen produzieren aber auch auf natürlichem Wege Halogenverbindungen, etwa das für unser Klima und unsere Ozonschicht schädliche Brommethan (weltweite Emission durch Raps etwa 6600 Tonnen). Rückstände dieser Verbindung könnten somit ebenfalls eine Quelle für die Entstehung von polybromierten Dibenzodioxinen (PBDD) sein [allerdings bei weitem nicht in den Mengen, die in den kontaminierten Industriefetten gefunden wurden], die in ihrer Wirkung den oben besprochenen chlorierten Verbindungen entsprechen. Die Reaktionstemperaturen, bei denen Biodiesel hergestellt wird, sind auch generell nicht hoch genug für die Entstehung von Dioxinen, doch ist in Industrieanlagen eine lokale Überhitzung von Anlagenteilen, etwa von Raps Stahlrohren, die dann auch noch als Katalysator für die Entstehung der Dioxone dienen, schwer zu vermeiden. Spätestens mit der Verbrennung oder der starken Erhitzung, wie etwa bei Speisefetten üblich, würden dann aber die kritischen Temperaturen für die Entstehung von Dioxinen erreicht werden. Wir sollten uns also vor Augen halten, dass eine verstärkte Produktion von Biodiesel aus Raps auch die Dioxinemission, vor allem aber die Treibhausgasemissionen sowie die Emission von Ozonschicht gefährdenden Verbindungen in die Umwelt deutlich steigern könnte. Biodiesel in der jetzigen Form könnte also nicht die grüne Treibstoffalternative sein, für die er vielerseits gehalten wird, vor allem, wenn die Rohstoffe aus nicht einwandfreien Quellen bezogen werden. Importe aus Ländern, die noch auf Chlorphenolen basierende Pestizide erlauben, müssten streng kontrolliert werden. Ein sinnvolles Vorgehen könnte auch die Entwicklung von gentechnisch veränderten Raps sein, bei dem die Produktion von Brommethan unterdrückt wird: Kein leichtes Unterfangen bei der gegenwärtig ablehnenden Haltung von Politik und Öffentlichkeit gegen Gentechnik in Deutschland.

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Bildnachweis:
Kieler Förde: Wikimedia Commons von Dirk Ingo Franke


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